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Seit 2008 haben sich die Beziehungen zwischen der Türkei und Israel stetig verschlechtert. Jetzt gibt es zumindest Hoffnung, dass sich das wieder ändert.

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Ex-Diplomat Dan Arbell hat mit einer Entschuldigung Israels gerechnet, dass sie so plötzlich nach dem Besuch von US-Präsident kam, hat selbst ihn überrascht.

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Die Nahost-Reise von US-Präsident Barack Obama hat ihre erste Überraschung. Israels Premier Netanjahu entschuldigte sich am Freitag beim türkischen Premier Erdogan für die toten türkischen Aktivisten, die bei der Erstürmung der Gaza-Flotille Mavi Marmara durch das israelische Militär 2009 ums Leben gekommen waren. Ein erster Meilenstein, der das Ende einer Eiszeit zwischen den türkisch-israelischen Beziehungen ankündigen könnte. derStandard.at sprach mit dem israelischen Ex-Diplomat Dan Arbell darüber, ob auf diese Entschuldigung nun diplomatisches Tauwetter folgt.

derStandard.at: Hätten Sie damit gerechnet, dass Israel sich genau jetzt bei der Türkei für die Todesopfer auf der Mavi Marmara entschuldigt?

Arbell: Ich war sehr überrascht, dass das so schnell passiert ist. Ich habe mir erwartet, dass Obama das Thema anspricht und vielleicht in den nächsten Monaten Bewegung in die Sache kommt. Dann, wenn sich die neue israelische Regierung eingearbeitet hat.

Die Spannungen zwischen Israel und der Türkei existieren natürlich immer noch, aber die Umstände und Dynamiken in der Region machen es notwendig, dass die beiden Länder wieder miteinander reden. Obama hat wohl den Besuch als gute Gelegenheit gesehen, zu versuchen die türkisch-israelischen Beziehung wieder aus der Sackgasse zu führen. Und dass der erste Schritt hinaus gesetzt wurde, hat er erreicht.

derStandard.at: Wieso hat sich Israel nicht schon früher entschuldigt? Wem hat das genutzt?

Arbell: Die Beziehungen haben sich über einen langen Zeitraum hin stetig verschlechtert. Es begann mit dem Gaza-Krieg 2008 und kulminierte dann bei den Ereignissen rund um die Gaza-Hilfsflotte. Es gab viele Diskussionen zwischen Türken und Israelis über eine Entschuldigung und verschiedene andere Aspekte. Die Atmosphäre wurde durch sehr scharfe Aussagen aus Ankara zusätzlich vergiftet, sowohl von Premier Erdogan als auch von Außenminister Davutoglu. Wie ein Lawine wurde die Situation dann immer verfahrener. Es war dann nicht mehr nur ein Streit über verschiedene Ansichten, sondern ein persönlicher Streit zwischen der türkischen und israelischen Führung.

derStandard.at: War also die Neuzusammensetzung der israelischen Regierung ausschlaggebend für diese Geste?

Arbell: Das war ein Faktor. Es liegt auch daran, dass die USA den angeschlagenen Beziehungen nun offensichtlich mehr Aufmerksamkeit schenken.  In den letzten Jahren war davon nichts zu sehen.  Und natürlich haben auch die Umstände im Nahen Osten großen Einfluss darauf. Die Situation in Syrien, die Spannungen zwischen der Türkei und dem Iran, der Arabische Frühling. Das alles macht einen neuen Dialog zwischen Ankara und Jerusalem notwendig.

Ich glaube auch, dass die türkische Führung realisiert hat, dass man die Beziehung zu Israel nicht einfach so aufgeben kann. Das hat man im vergangenen Jahr gesehen, als plötzlich der ägyptische Präsident Mursi den Waffenstillstand nach der Gaza-Krise im November in die Wege leitete. Die Türken saßen hier auf der Ersatzbank und das gefällt ihnen nicht. Die Türkei war eigentlich bei solchen Anlässen immer Mediator. Ich glaube, dass man jetzt an einem Punkt angelangt ist, wo sowohl die Türkei als auch Israel einsehen, dass es nur in beidseitigem Interesse sein kann, die Beziehungen wieder zu verbessern.

derStandard.at:  Israel hat den ersten Schritt gemacht. Was muss jetzt folgen, damit sich tatsächlich etwas ändert?

Arbell: Nach vier Jahren wird sich das nicht über Nacht ändern. Es werden hoffentlich wieder Botschafter entsandt und ein neuer Dialog aufgebaut. Das türkische Gerichtsverfahren gegen israelische Militäroffiziere  in der Causa Marvi Marmara wird möglicherweise eingestellt werden. Aber man muss natürlich im Auge behalten, dass das jetzt erst der erste Schritt war. In der Vergangenheit gab es in den 90er Jahren und bis Anfang 2000 das, was ich die Honeymoon-Periode, der beiden Staaten nenne. Da gab es eine strategische Partnerschaft und sehr enge ökonomische Verbindungen. Das wieder zu erreichen, wird sehr, sehr schwer werden. Aber allein eine Normalisierung wäre schon ein enormer Fortschritt.

Beide Länder müssen sehr auf die öffentliche Meinung achten, das hatte in den vergangenen Jahren auch einen großen Einfluss. Es muss also nicht nur in der Politik ein Umdenken stattfinden, sondern in den Medien und bei der Bevölkerung.

derStandard.at: Noch vor drei Wochen hat der türkische Premier Erdogan bei einer UN-Konferenz in Wien gesagt, dass Zionismus, nebst Faschismus, Rassismus, Antisemitismus und Islamophobie ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit sei. Ist es wirklich realistisch, dass sich an so einer Haltung in Zukunft etwas ändert?

Arbell: Dazu braucht es ernsthafte Anstrengungen von Seiten der Türkei. Nachdem er das gesagt hat, meinte Erdogan, dass er missverstanden wurde und das nicht so gemeint war. Er wollte damit nur die israelische Politik im Westjordanland gegenüber den Palästinensern kritisieren. Aber er wird sich tatsächlich stark anstrengen müssen, um die Israelis davon zu überzeugen, dass er sein Verhalten ändern wird. Derzeit ist die israelische Öffentlichkeit der Auffassung, dass seine Politik sehr anti-israelisch ist.

Bis vor kurzem hat man geglaubt, dass gute Beziehungen zu Israel nicht im Interesse der Türkei oder Erdogans sind. Erdogan wollte Führer der Arabischen Welt, der muslimischen Welt sein. Gute Beziehungen zu Israel passen da nicht hinein.  Wir werden sehen, ob sich hier etwas ändern wird.

derStandard.at: Hat die unsichere Situation in Syrien maßgeblich dazu beigetragen, dass es eine erste Annäherung gibt?

Arbell: Natürlich, der Bürgerkrieg in Syrien spielt sich direkt vor der Haustür der Türkei und Israels ab. Es ist äußerst wichtig für beide Länder darüber zu reden, weil sie in diesem Punkt gemeinsame Interessen haben. (Teresa Eder, derStandard.at, 22.3.2013)